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Rallye MSC-Zorn 01.03.2008


"links 2"

für alle die, die noch nie im Rallyeauto auf dem "heißen Sitz" gesessen haben, wird die Ansage jetzt wenig Informationen beinhalten. "links 2" heißt: rechtwinklig links abbiegen. Normalerweise sollte der Rallye-Pilot seinem Beifahrer ab und zu Gehör schenken - dafür haben wir ja extra eine Sprechanlage im Auto -, hier meinte der Fahrer aber, sich voll auf die Strecke und weniger auf den Co-Piloten konzentrieren zu müssen. O.K., jeder muss selbst wissen, was er tut. Manchmal geht so ein "links 2" auch im lauten Geschepper, welches der matsch-ummantelte Schotter, der gegen den Wagenboden und in die Radkästen schießt, verursacht, einfach unter.
Deshalb nochmal, diesmal etwas nachdrücklicher, da die "links 2" ja schon verdächtig nahe kommt: "LINKS 2".
Irgendwie muss ich den Piloten verärgert haben, weil, der kümmert sich auch jetzt keinen Deut um meine Ansage.
"LINKS ZWOOOOOO !!!!!" - Sekundenbruchteile später jagt der BMW mit fast unverminderter Geschwindigkeit in den Acker
und hilft dem verdutzten Bauern, seine Furchen nach ganz neuen Anbauprinzipien auszurichten. Thomas schaut reichlich irritiert, als habe er fest damit gerechnet, dass der Acker nur eine Spiegelung in der untergehenden Abendsonne wäre.
"und ich sag noch : das war eine links 2 !!". Gut soweit, das blieb der einzige ernsthafte Ausritt, deshalb sehe ich über unser Kompetenzproblem nochmal ausnahmsweise hinweg.

Aber von vorn:
da der letzte und bisher einzige Rallyeeinsatz schon 1,5 Jahre zurücklag, nahm ich jetzt das Angebot von Thomas Ardelt an, seine temporär unpässliche Beifahrerin für die Rallye Zorn zu ersetzen. Thomas ist im FHR-Kreis kein Unbekannter, hat allerdings bisher nur im Rundstreckenrennen mit "Renn-Gebrauchtwagen" und dafür überproportionalem Engagement auffallen können. Sein Interesse für Rallyes ist letztes Jahr erwacht und da er "günstig" einen BMW 318iS erstehen konnte, sollten zukünftig auch entsprechende Veranstaltungen auf dem Speiseplan stehen.
Soweit kurz ausgeholt, um die Verhältnisse unserer "Zweckgemeinschaft" zu skizzieren.
Da es sich bei der "Rallye Zorn" um eine NAVC-Veranstaltung handelt, sind die Bekleidungs- und Fahrzeugvorschriften etwas "legerer" als bei den mir bisher bekannten DMSB-Veranstaltungen. Das heißt jetzt erstmal nichts besonderes, außer, daß die Bekleidung nicht letzten FIA-Stand haben muss, sondern eher 1-2 Stufen darunter. Hier reicht z.B. ein Motorradhelm, um wettkampfmäßig den Gasfuß auf Anschlag halten zu können. Gut, solange nichts passiert, alles in Ordnung.

Jetzt zum Ablauf der Veranstaltung:
da ich noch über keine übermäßige Erfahrung mit den Durchführungen von Rallyes habe, war ich dann erstmal in der Beobachterposition. Mal schauen, was der Wettbewerb macht und dann nachmachen. Wäre auch gegangen, wenn wir das Roadbook richtig durchgelesen und direkt am Anfang den entscheidenden Satz "Start Einführungsrunde - nach Startnummern - 9:01 Uhr" richtig interpretiert hätten. Also Punkt 9:01 Uhr runter vom Startpark und nach Roadbook die Strecke zur WP1 abgefahren. Fast hätten wir die WP1 nicht erreicht, da der hochmotivierte Fahrer das Auto in der 3. oder 4. Kurve schon fast aufs Dach gelegt hätte - Superveranstaltung: noch keine WP1 gefahren und schon das Teil in der Botanik versenkt. Aber alles noch gerettet bekommen und so kamen wir denn an der WP1 an. Überraschung, wir sind die ersten! Kein anderer Teilnehmer weit und breit. Ratlosigkeit macht sich breit - irgendwas ist hier faul. Da Thomas noch einen Trumpf im Ärmel hat, ruft er einen Kumpel an, der mehr Ahnung von Rallyes hat, als wir beide zusammen und dann kommt die Erklärung: "Ihr müsst nach Startnummer losfahren und vor allem auch die Einführungsrunde beim Verlassen des Startparks stempeln". Häh? - hat uns keiner was von gesagt!
OK, wir sind ja lernende Menschen und machen uns schnell vom Acker und tun so, als wären wir gerade vom Auftanken gekommen, als wir uns wieder in den Startpark reinschleichen. Jetzt wissen wir ja, was wir machen müssen, ordnen uns brav mit unserer Startnumer 52 hinter die "51" ein, stempeln um 9:52h, wie es sein soll und die Reise kann losgehen. WP1 ohne Probleme gefunden (war ja auch kein Wunder) und angefangen den "Aufschrieb" zu erstellen.
Wie schon weiter oben angedeutet, 2 Unerfahrene ergeben auch in der Summe keinen Erfahrenen.
Nachdem wir dann versucht haben, uns über Kurvenradien und Entfernungen einig zu werden, waren wir zum Schluss einhellig der Auffassung, dass der Aufschrieb für diese WP ausreichend wäre und wir die weiteren WPs anfahren könnten. Passte dann auch alles nach Roadbook und so erreichten wir den Startpark wieder innerhalb der erlaubten Zeit. Unsere Startzeit hing dann auch schon am Bulletin-Board aus und wir hatten noch ein paar Minuten zum entspannen.

Jetzt gings richtig los: korrekt gestempelt und ab auf die Strecke. Im Hinterkopf hatte ich noch rudimentär die Info, dass über eine Startrampe im Ort gefahren werden sollte, also müsste die Strecke jetzt anders laufen, als auf der Einführungsrunde. Klar, war natürlich auch so. Fast hätte die interessierte Einwohnerschaft von Miehlen im Taunus oder Westerwald, oder wo das auch immer liegt, unsere angestrengten Gesichter nicht bewundern können, weil wir schon im Vollstress auf dem Weg zu WP1 waren. Aber kurz nach OE (Ortsende) Miehlen fiel mir dann doch auf, dass die Streckenführung geringfügig von der Einführungsrunde abwich. Also Schleuderwende im Landstrassentempo und wieder zurück in den Ort und diese dämliche Startrampe gesucht. Gottseidank, gerade noch vor unserem Nachfolger in die richtige Strasse eingebogen und zügig mit viel Schwung auf die Rampe geschossen. "Äh, ja, hier haben wir die Startnummer 52. Thomas Ardelt und Rainer Hinz... bla bla.. Auto ist ein .. bla bla ... Alter des Fahrers ist 23 Jahre, der Beifahrer (stutz) ist 51 !!?? (Blick ins Auto) äh, ja... - Gute Fahrt dann auch". Jetzt aber mit qualmenden Socken von der Startrampe runter und endlich "richtig Rallye fahren". Die WP1 kam dann auch in Sichtweite und das stempeln hatte ich jetzt auch im Griff und so konnte es richtig losgehen.

WP 1+2:
"10 - 5,4,3,2,1" Vollgas und los.... "100 links 3+" - "30 rechts 3-" - "30 links 3-"...... ??? Irgendwie passt die Strecke so gar nicht zum Aufschrieb!! "Verdammt, ich bin raus!!" "Ich finde hier überhaupt nix mehr, was auch nur annähernd zu den Kurven passen könnte". Böse Zungen würden jetzt behaupten, dass irgendein missgünstiger Wettbewerber eine Seite aus dem Aufschrieb entfernt hat, aber das wäre eher unwahrscheinlich. Offensichtlich haben wir entweder zu früh oder zu spät angefangen aufzuschreiben. Thomas kämpft indessen verzweifelt mit der für ihn nun völlig unbekannten Strecke, ich versuche irgendwo den Anschluss im Aufschrieb zu finden. Nach ca. 2/3 der Strecke habe ich es wieder und unsere Notizen passen auch halbwegs zur Strecke. Aber leider schon viel Zeit verschenkt, die wir, im Nachhinein betrachtet, auch nicht mehr aufholen können.
Start der WP2 (gleiche Strecke): wieder mit Vollgas los "100 links 3+" - "30 rechts 3 -" - "30 links 3 -" .... Duplizität der Ereignisse: siehe oben.... Thomas ist jetzt schon innerlich auf 300 und kämpft wieder allein seinen einsamen Kampf gegen die Uhr - ich kämpfe wieder mit dem Aufschrieb. Verdammt noch mal.... das kann doch nicht wahr sein! Diesmal die passende Stelle schneller gefunden, aber trotzdem wieder wertvolle Zeit verschenkt. Die Streckenverhältnisse erinnerten auch mehr an die innere Mongolei zur Regenzeit, als an eine "Asphalt-Rallye". Wenn vorher schon 50 Teilnehmer den Schlamm links und rechts des Feldweges gleichmäßig auf die Straße verteilt haben, bleibt für die gut abgehangenen "Vredestein Quadtrack 2 - Transporterreifen " viel, allerdings nahezu aussichtslose, Arbeit übrig. Ein weiterer kleiner Nachteil ist die Tieferlegung, die besonders auf ausgefahrenen Waldwegen dem Auto in Wagenmitte besondere "Boden-Unterstützung" bietet. Dass sich Richtungswechsel dadurch nicht mehr präzise einleiten lassen, ist insgesamt auch für den Laien nachvollziehbar.

WP 3 + 4:
die längste (über 9 Km) und auch für uns endlich erfolgreich. Aufschrieb passte und die gefühlte Geschwindigkeit sollte uns eigentlich weit vorne in der Klasse wiederfinden lassen. Das ist die WP mit der Sprungskuppe (Bilder sind hier und hier).
Beim Abfahren schon skeptisch, da hinter der Kuppe direkt eine "links 2+" lauert. Also vor der Kuppe links halten und so vielleicht schon den ersten Teil der Kurve mit "angesprungen". Passte natürlich nicht so richtig und das Auto schlägt mit durchschlagenden Dämpfern auf dem Asphalt auf, um anschließend brutal verzögert und in die folgende "links 2+" gezwungen zu werden. Die Spur- und Sturzwerte hatten anschließend nicht mehr die Werksvorgabe und die Radlager hörten sich auch nicht mehr so wirklich gut an. Aber gut gemacht vom Driver, Auto auf der Strecke gehalten und mit kaum Zeitverlust durch die nachfolgende Senke und den Berg hinauf. Dann kam die eingangs beschriebene "links 2!!!" mit Auslauf in den Acker kurz vor der Zieldurchfahrt. Zeiten waren dann ganz passabel und unser Ruhepuls konnte sich von den hohen 3-stelligen Werten wieder erholen.

WP 5 + 6:
Irgendwie ist der Veranstalter der irrigen Auffassung erlegen, dass die ganze Rallye mindestens 2 Stunden früher zu Ende sein müsste. Jedenfalls ergab es sich für die Startnummern ab ca. "20", dass diese schon im Abendlicht starten müssen. Die Startzeit für den 2. Durchlauf der letzten WP war zwar für 19.00 geplant, aber dass wir z.B. mit der "52" erst um 19:30h das erste mal auf die Strecke konnten, veranlasste dann den Rallyeleiter, kurzerhand die WP6 für alle zu streichen, weil sonst der letzte nicht vor 24.00h los gekommen wäre. Die Mitbewunderer hatten in der Zwischenzeit alle ihre "Christbäume" vorn ans Auto geschraubt, weil, wie schon Huschke von Hanstein früher gesagt hat: "mehr Licht, mehr Sicht, mehr Sicherheit". Thomas hatte so etwas ja leider nicht und er beschränkte sich dann darauf, die 60mm Scheinwerfer des BMW vom Schlamm zu befreien.
Gestartet wurde jetzt nicht mehr im Minutenabstand, sondern in 3er-Gruppen mit 15 Sekunden dazwischen "das haben wir gemessen, das passt". Also vertrauen wir dann mal darauf, dass uns auf dem Rundkurs, der auf dieser WP 2mal zu durchfahren ist, kein Gegner "begegnet" oder unsere Flugbahn kreuzt.
"Passte" dann auch tatsächlich, leider war der Aufschrieb auch hier nicht ganz optimal, so dass Thomas diesmal im dunkeln "auf Sicht" fahren musste und das einer besseren Zeit etwas entgegenstand.

Im Ergebnis hat es dann für uns als "Newcomer"
in der Klasse 4 für den 6. von 12, in der Gruppe 1 für den 10. von 19 und Gesamt irgendwo um 30 von rund 70 Startern gereicht (Ergebnisse siehe hier).

Resümee: wir sind auf Anhieb im Mittelfeld, wobei unsere Klasse auch mit einem "nahezu serienmäßigen" Golf 1 mit 4-Kolben-Festsattelbremse, Makrolon-Seitenscheiben und geschweißten Domstreben besucht wurde.


Rainer